Raumentwicklung im südlichen Afrika – Perspektive I: Afrikanische Städte
Rund vier Monate schon bereisen meine Partnerin Lisa Mühlebach und ich ¹ das südliche Afrika in unserem Land Rover Defender. Von Kapstadt über Namibia und Botswana, Zimbabwe und Mosambik bis Malawi erleben wir Natur und Mensch und erhalten natürlich auch städtebauliche und raumplanerische Einblicke. Eine Reihe themenspezifischer Perspektiven exklusiv auf planteam.ch geben Aufschluss über städtebauliche und raumplanerische Aspekte im südlichen Afrika.
Krasser Gegensatz zwischen Stadt und Land
Schon von Beginn unserer Reise fällt uns – vor allem im Vergleich zu Westeuropa – ein krasser Gegensatz zwischen Stadt und Land auf. Afrikanische Städte orientieren sich an Infrastruktur, und besitzen oft einen funktionalen Central Business District. Sie weisen in ihrer Struktur Merkmale modernistischer Städte auf (breite Strassen, neue Materialien wie Glas oder Beton, grosse Bürobauten). Oft sind sie als Planstädte gewachsen, viele wurden aber erst ab den 1950er- und 60er-Jahren konzipiert – oft von europäischen Architektur- und Planungsbüros – und weisen dementsprechend erhebliche Parallelen zum europäischen Städtebau dieser Zeit auf (z.B. Le Havre in Frankreich oder die Nachkriegsmoderne in Deutschland). Entsprechend sehen sich diese Städte auch mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert.
Verkehrsorientierte Raumplanung im südlichen Afrika
Die Städte sind grossflächig und verkehrsorientiert gebaut, was «Aufenthaltsqualitäten» nicht gerade fördert. Trotzdem fällt auf: Die Strassenräume funktionieren trotz vermeintlichem Chaos. Durch die hohe Dichte an Menschen und dem öffentlichen Leben (man denke an Strassenverkauf, Spaziergänge, Güterumschlag etc.), das sich mehrheitlich entlang der Hauptverkehrsachsen abspielt, findet eine «Verlangsamung» des Verkehrs statt. Die Verkehrsachsen wurden zudem oft bereits in den 60er-Jahren üppig begrünt – und das nicht nur mit Abstandsgrün.
Urban sprawl als Folge fehlender raumplanerischer Konzepte
Die Hauptproblematik für afrikanische Städte bleibt das nach wie vor massive Bevölkerungswachstum. Zusätzlich verschärft sich dieses Problem durch die unablässige Landflucht. Dies führt oft zum gefürchteten urban sprawl ², welcher die lokalen Behörden in seinen immensen Dimensionen überfordert. Hier zeigt sich das Fehlen neuer, dem urban sprawl angepasster städtebaulicher und raumplanerischer Konzepte am deutlichsten. Im urban sprawl ist die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum kaum vorhanden: Die Sicherheit im Strassenverkehr und auch generell kann nicht immer gewährleistet werden, die Spitäler und Schulen sind überfüllt, teilweise fehlt die Strom- und Wasserversorgung sowie die Wasserentsorgung. Dafür scheint der öffentliche Verkehr (auf Selbstkostenbasis) ab einer gewissen Dichte gut zu funktionieren. Die Situation erbittert sich weiter durch politische Entscheide der lokalen Behörden: Während im Stadtzentrum oft in prestigeträchtige Prunkbauten wie Parlamentsgebäude und grosse Infrastrukturbauten wie Brücken oder zweispurige Strassenausbauten investiert wird, wuchert die Agglomeration derweil ungeplant und unkontrolliert weiter in den urban sprawl.
Perspektive II
Den zweiten Teil von Davids Einblick in die Raumplanung im südlichen Afrika kannst du hier nachlesen.
¹ David Waltisberg arbeitet seit 2016 beim plan:team und bereist zurzeit mit seiner Partnerin im selbst ausgebauten Land Rover Defender den Kontinent Afrika. Wenn er nicht gerade die halbe Welt bereist, arbeitet er bei uns als Projektleiter. David berichtet unregelmässig über seine raumplanerischen Eindrücke auf planteam.ch
² Urban sprawl: «the spreading of urban developments on undeveloped land near a city» – auf Deutsch fälschlicherweise oft mit Zersiedlung übersetzt, meint urban sprawl in erster Linie das unkontrollierte, ausufernde Wachstum am Stadtrand.
Text: David Waltisberg, Bilder: Lisa Mühlebach