Raumentwicklung im südlichen Afrika – Perspektive II: Entwicklungsdefizite auf dem Land
Rund acht Monate schon bereisen meine Partnerin Lisa Mühlebach und ich¹ das südliche und östliche Afrika in unserem Land Rover Defender. Von Kapstadt über Namibia, Botswana, Zimbabwe, Mosambik, Malawi, Ruanda und Uganda bis nach Kenia erleben wir Natur und Mensch und erhalten natürlich auch städtebauliche und raumplanerische Einblicke. Eine Reihe themenspezifischer Perspektiven exklusiv auf planteam.ch geben Aufschluss über meine Erlebnisse auf Reisen.

Hauptverbindungsachse N1 zwischen Tete und Chimoio, Mosambik
Raumentwicklung im südlichen Afrika: eine Region der zwei Geschwindigkeiten
Uns fällt immer wieder ein Afrika der zwei Geschwindigkeiten auf: Das städtische, moderne, im Verhältnis ökonomisch stärkere Afrika sowie das ländliche Afrika, welches auch eher unseren konnotierten Bildern entspricht. Wenn wir durch Dörfer und Landschaften tuckern, ist Armut, Unterentwicklung und die knappe Güterversorgung spürbar. Gerade auch die hohen Treibstoffpreise in den letzten Monaten haben einige Dörfer von der Grundversorgung abgehängt. Die Regale sind leer, das Essen besteht aus dem, was die Umgebung noch hergibt. Ein grosser Teil des Problems ist das schlechte Strassennetz. Es verteuert zusammen mit den gestiegenen Treibstoffpreisen die Transporte und somit die Produkte. Handel, Warenaustausch und damit die ökonomische Entwicklung sind kaum möglich. Entsprechend sind die meisten Familien im Dorf selbstversorgend.

Diese Brücke kann nicht mehr von LKWs befahren werden (Hauptachse in Malawi).
Mangelhafte Infrastruktur erschwert das Leben der Bevölkerung
Die mangelnde Entwicklung zeigt sich auch Ortsbaulich. Es gibt viele Streusiedlungen mit einfachen Hütten nahe an den Feldern. Die öffentlichen Räume im “Dorfzentrum” beschränken sich auf Schule, Kirche und Polizeistation. Diese Infrastruktur ist für eine Bevölkerung, die sich nur zu Fuss bewegt, oftmals sehr weit weg. Wenn der Unterricht fertig ist oder am Sonntag das ganze Dorf zur Kirche marschiert, kommen uns hunderte Kinder und Familien auf der Strasse entgegen. Was für uns spannend ist, ist für die örtliche Bevölkerung teilweise sehr mühsam. Die alltägliche Versorgung mit Wasser, Nahrungsmitteln oder auch Bildung sind nur mit grossem Aufwand möglich. Die Konsequenz daraus zeigt sich nicht nur ökonomisch, sondern auch sozial: die Lebensformen bleiben traditionell und vorbestimmt, die Bildung bleibt beschränkt, die Rolle der Kirche ist stark.

Dorfsituation in Uganda
Fehlende Raumplanung begünstigt die Landflucht
So rasant die Entwicklung in afrikanischen Städten vorwärts geht, so langsam findet sie auf dem Land statt. Die Unterschiede vergrössern sich eher, auch wenn moderne Entwicklungen wie Smartphones in den Dörfern zu mehr Information und Emanzipation führen. So ist es nicht verwunderlich, dass die Landflucht anhält – mit entsprechender Auswirkung auf die Städte. Wichtig für ländliche Gebiete wäre eine bessere Versorgung öffentlicher Infrastrukturen (vor allem verkehrlich). Entwicklungsprojekte wie Brücken und Strassen sind teilweise sichtbar und bringen – sofern der Unterhalt langfristig gesichert ist – stärkere Verbesserungen als beispielsweise ein neuer Solarbrunnen neben einem bestehenden funktionierenden Brunnen. Leider beobachten wir immer wieder solche “Hilfsprojekte” von NGOs…

Aufgrund der schlechten Ernte beschränkt sich das Angebot in Malawi über hunderte Kilometer auf Tomaten, Zwiebeln und Kartoffeln.
Raumentwicklung im südlichen Afrika versus Raumentwicklung in der Schweiz
Auch in der Schweiz sind zwischen städtischen und ländlichen Gebieten verschiedene Geschwindigkeiten und ökonomische Stärken zu beobachten. Die Dynamik und Anziehung urbaner Zentren ist spürbar, ebenfalls die Angst der ländlichen Räume, abgehängt zu werden. Im Unterschied zu vielen anderen Weltregionen haben wir verschiedene Instrumente entwickelt, welche die Geschwindkeitsunterschiede reduzieren und auch in ländlichen Gebieten Entwicklungen und einen hohen Lebensstandard ermöglichen. Dazu gehören Service Public, Finanzausgleich, Instrumente von Good Governance (z.B. Verteilung staatlicher Institution über das ganze Land, Setzung von Bildungsstandards), ein präsenter Staat und eine gute Infrastruktur, die einen effizienten Austausch von Ideen und Gütern ermöglichen. Damit verringern wir räumliche Disparitäten. Gerade in der Raumentwicklung sehen wir aber auch die negativen Konsequenzen daraus. Der Flächenverbrauch in ländlichen Gebieten ist verhältnismässig hoch, die Verkehrsinfrastrukturen sind teuer und die ökologischen Konsequenzen derartiger Entwicklungen werden inzwischen vermehrt diskutiert.
![]() Wachstum von Siedlung und Infrastruktur im Luzerner Hinterland. 1960 |
![]() 2020 |
Perspektive I
Den ersten Artikel zur Raumplanung im südlichen Afrika kannst du hier nachlesen. In der «Perspektive III», die bald erscheint, verlassen wir Afrika und untersuchen die Raumentwicklung auf der Arabischen Halbinsel.
¹ David Waltisberg arbeitet seit 2016 beim plan:team und bereist zurzeit mit seiner Partnerin im selbst ausgebauten Land Rover Defender den Kontinent Afrika und den Nahen Osten. Wenn er nicht gerade die halbe Welt bereist, arbeitet er bei uns als Projektleiter. David berichtet unregelmässig über seine raumplanerischen Eindrücke auf planteam.ch
Text und Fotos: David Waltisberg